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Dr. med. Nina Lettner – den eigenen Traum leben – Praxisübernahme in Zumikon
Im Jahr 2022 hat Dr. med. Nina Lettner die Praxis für Gynäkologie und Geburtshilfe in Zumikon von ihrer Vorgängerin übernommen. Im Interview berichtet sie uns, wie sie die Vorbereitungs- und Aufbauphase erlebt und welche Zukunftsaussichten sie hat.
Seit August 2022 sind Sie selbstständig tätig und haben eine Praxis in Zumikon übernommen. Worin sehen Sie persönlich die Vor- und Nachteile der Selbstständigkeit gegenüber einer Anstellung?
Den Vorteil sehe ich in der eigenen Gestaltungsfreiheit der medizinischen Ausrichtung, der Praxisräumlichkeiten und der praxisinternen Abläufe. Es gibt mir viel Flexibilität, da ich selbst entscheiden kann, wie viel ich arbeiten und wie viel Zeit ich pro Patientin verwenden möchte. Als Nachteil empfinde ich es, dass ich als Praxisinhaberin Mädchen für alles und somit für die Praxis, die Patienten und das Personal verantwortlich bin. Man ist mit der Arbeit nie fertig und muss lernen, sich zeitlich abzugrenzen. Wichtig ist, dass man sich hier Unterstützung holt und Fachleute beizieht.
Wie unterscheidet sich Ihr Berufsalltag als Praxisinhaberin von Ihren vorgängigen Tätigkeiten?
Im Gegensatz zur Anstellung nimmt die Arbeit als selbstständige Unternehmerin nie ein Ende. Im Anstellungsverhältnis geht man am Abend nach Hause und lässt angefangene Arbeiten in der Praxis. Dies hat sich geändert und ich arbeite viel nach der Sprechstunde von zu Hause aus. Ich muss aufpassen, dass ich nicht immer am Arbeiten bin, weil es aber meine eigene Praxis ist und ich sehe, wofür ich dies tue, stört es mich weniger und es ist mir wichtig, dass die Praxis gut zum Laufen kommt. Als Praxisinhaberin muss man ausserdem neben der medizinischen Leistung auch die Wirtschaftlichkeit im Auge behalten. Dies ist bei einer Anstellung weniger der Fall, da man auch nur begrenzt Einblick in die betriebswirtschaftlichen Zahlen hat.
War eine Gruppenpraxis oder ein Ärztehaus kein Thema für Sie?
Vor der Praxisübernahme war ich in einem Kinderwunschzentrum angestellt. Ich hätte mir eine Gruppenpraxis mit einer Fachkollegin bzw. einem Fachkollegen vorstellen können, dies hat sich aber nicht so ergeben. Für mich stand im Vordergrund, im Bezug auf die Behandlungen frei zu sein und ohne Druck und Auflagen Medizin betreiben zu können. Ich teile die Räume sowie das Personal mit einem Pädiater. Wir haben im Umgang mit dem Personal und den Patienten die gleiche Linie und eine angenehme Arbeitsatmosphäre ist uns ein grosses Anliegen.
Welche Erfahrungen haben Sie beim Rollenwechsel von der Angestellten zur Vorgesetzten gesammelt?
Man muss klar kommunizieren, wie man die Strukturen und Abläufe haben will. Zu Beginn war dies schwierig, da ich das bestehende Team übernommen habe und einige Mitglieder des Teams nicht offen waren für einen Strukturwandel und immer am Alten festhalten wollten. Zwischenzeitlich habe ich ein tolles Team. Alle sind motiviert und ziehen an einem Strick.
Wie haben Sie die erste Woche in Ihrer Praxis erlebt und wie waren die Reaktionen Ihrer Patientinnen?
Die erste Woche war chaotisch, da die IT nicht funktioniert hat. Mit meiner Vorgängerin haben wir die Patienteninformation nicht schriftlich vereinbart. Dies führte unglücklicherweise dazu, dass einige Patientinnen nicht über die Praxisübergabe informiert waren. Die Patientinnen sind aber trotzdem geblieben und erfreulicherweise kommen nach und nach neue Patientinnen.
Was würden Sie heute bei der Realisation der Selbstständigkeit anders machen?
Ich würde mich viel früher um die IT (Praxisbetriebssystem) kümmern. Da ich ein bestehendes Praxisbetriebssystem übernommen habe, konnte ich dieses nicht frei wählen und habe mich wenig eingearbeitet. Dies würde ich sicher anders handhaben.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus? Welche Entwicklungen und Trends sehen Sie in der Gynäkologie und Geburtshilfe?
Nach der ersten, intensiven Phase geht es nun darum, die Prozesse und Abläufe zu optimieren und zu festigen. Danach ist es für mich wichtig, die Praxis eine Zeit lang ohne grosse Veränderungen laufen zu lassen. Eine gewisse Konstanz und Wertschätzung sind meiner Meinung nach auch für das Team wichtig. Ich möchte gemeinsam mit dem Team das Erreichte geniessen können und nicht in einen Optimierungswahn verfallen. Die Gynäkologie ist eine sehr breite Fachrichtung mit den Themen Brustgesundheit, allgemeine Gynäkologie, Geburtshilfe, Kinderwunsch und vieles mehr. Als einzelner Arzt kann man nicht alles bis in die Tiefe abdecken. Ein gutes Netzwerk ist wichtig, um die Patientinnen an Spezialisten weiterleiten zu können. Bei mir sind die Geburtshilfe und das Thema Kinderwunsch der Fokus. Bei der Gynäkologie kommen viele neue Einflüsse wie die Themen Altern (wie will ich altern, Hormone etc.) und Lifestyle dazu. Ich finde es schwierig, dass man eine Balance erlangt, sodass man eine moderne Gynäkologie praktiziert, aber dennoch fokussiert bleibt und nicht jeden Trend mitmacht.
Was würden Sie Ihren Kollegen, die den Schritt in die Selbstständigkeit noch vor sich haben, mit auf den Weg geben?
Der Schritt in die Selbstständigkeit ist absolut lohnend. Ich würde mir frühzeitig überlegen, ob eine Praxiseröffnung oder eine Übernahme das richtige Modell ist. Für mich mit zwei Kindern und einem beruflich stark engagierten Partner war eine Praxisübernahme klar die bessere Option. Die Begleitung durch einen Unternehmensberater war für mich wertvoll, da man jemanden an der Seite hat, der den Prozess der Praxisübernahme schon einmal gemacht hat. Man darf mit sich selbst nicht zu kritisch und perfektionistisch sein. Man muss aufpassen, dass neben der Familie, der Praxis und der operativen Tätigkeit der eigene Freiraum noch da ist und nicht ganz verschwindet.
Frau Doktor Lettner, herzlichen Dank für das spannende Interview!
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