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Dr. med. Uwe Bierbach
Herr Dr. med. Uwe Bierbach, Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, hat im Jahre 2009 Praxis in der Stadt Bern übernommen. Wie hat er diesen grossen Schritt in die Selbständigkeit vorbereitet und wie hat er ihn erlebt? Was würde er heute anders machen? Das und noch vieles mehr für alle, die diesen Schritt noch vor sich haben und aus den Erfahrungen von Kollegen profitieren möchten.
Herr Doktor Bierbach, warum haben Sie sich für eine Praxisübernahme und nicht für eine Neueröffnung entschieden?
Eine Neueröffnung hat sicher viele Reize. Die Praxis kann nach dem eigenen Geschmack neu gestaltet und eingerichtet werden und der Standort könnte unter praktischen Gesichtspunkten nach entsprechenden Analysen ausgewählt werden. Aber es existieren auch viele Risiken. Unabhängig von den eigenen Vorstellungen ist es schwierig, einen Standort ohne Zulassungsbeschränkungen zu finden. Neu- oder Umbau ist finanziell aufwendig und erfordert einen realistischen Zeitplan. Meist besteht zum Start ein eher geringes Patientenaufkommen, was zu Problemen der Liquidität führen kann. Bei Übernahme einer Praxis wird nicht nur die Immobilie übernommen, sondern auch der Patientenstamm und eine Vielzahl von Zuweisern. Im Idealfall ersetzt die eigene Person den Vorgänger in einem funktionierenden Netzwerk. Da ich bis zur Praxiseröffnung nicht in der Schweiz gearbeitet hatte, war die Anknüpfung an bestehende Netzwerke für mich besonders wichtig. Durch die Übernahme konnte ich mit Unterstützung meines Vorgängers viele Kontakte zu Kollegen in der Klinik und Praxis knüpfen. Die Unterstützung des Vorgängers war für mich ein wichtiger Punkt zu Beginn der Praxistätigkeit. Ausserdem wollte ich keine hohen finanziellen Risiken eingehen.
Weshalb haben Sie sich ausgerechnet in Bern niedergelassen?
Bern ist eine faszinierende Stadt mit ausgezeichneter Infrastruktur und einer urtypischen «Schweizer Gangart». Es gibt grosse öffentliche Spitäler und ein ausgebautes Netz von Privatspitälern. Da ich als Belegarzt arbeiten wollte, waren dies wichtige Kriterien bei der Standortwahl. Neben logischen Kriterien wie Bevölkerungs- und Ärztedichte war aber auch die Lebensqualität ein wichtiger Faktor für den zukünftigen Praxisstandort. Bern bietet mit seiner zentralen Lage ideale Bedingungen für Ausflüge in die Alpen oder in die Nachbarländer Frankreich und Italien. Durch den Flughafen in unmittelbarer Nähe, sind die Grossflughäfen in Deutschland gut zu erreichen.
War für Sie eine Gemeinschaftspraxis nie ein Thema? Warum?
Nein. In Deutschland war ich Chefarzt einer grossen unfallchirurgischen Klinik mit einem Team aus 4 Oberärzten und 9 Assistenten. So war eine gute Teamarbeit unter meiner Leitung möglich. Aber die Verantwortung lag allein bei mir. Dennoch war meine Entscheidungsfreiheit sehr begrenzt und ich war von der Leistung meiner Mitstreiter abhängig. Durch meine Niederlassung wollte ich mich von solchen Abhängigkeiten verabschieden. Als Einzelkämpfer ist man zwar gesamtverantwortlich, dafür muss man aber auch den Erfolg nicht teilen.
Wie haben Sie das Projekt «Praxisübernahme» und Ihren Umzug in die Schweiz vorbereitet?
Bevor ich auf Praxissuche ging, habe ich mir einen professionellen Berater gesucht. Als erstes wurden die vielen Formalitäten wie zum Beispiel die Anerkennung deutscher Diplome, Aufenthaltsbewilligung oder die Erteilung einer Berufserlaubnis in Angriff genommen. Die Bearbeitung der Anträge und Behördengänge liefen dann parallel zur Praxissuche und konnten so ohne zeitliche Probleme rechtzeitig erledigt werden. Zur Vorbereitung zählten auch eine fristgerechte Kündigung der Arbeitsstelle und die Organisation des Immobilienverkaufs in Deutschland zum Austrittstermin aus dem Arbeitsverhältnis. Um die finanzielle Situation der Familie nicht zu gefährden, wurde eine alternative Tätigkeit als Honorararzt organisiert, um so den möglichen Zeitdruck eindämmen zu können.
War es schwierig im Fall einer Praxisübernahme einen Bankkredit zu bekommen?
Bei der Wahl der Bank und der Art der Finanzierung war die Unterstützung unseres Beraters unerlässlich. Nach Vorlage des aussagekräftigen Businessplanes wurde dieser verschiedenen Banken vorgelegt. Prinzipiell war das Interesse der Banken gross und entsprechend vernünftig die Angebote. Ein Problem war lediglich die geplante Finanzierung ohne Eigen kapital. Nach aufwendigen Verhandlungen war es letztlich möglich, eine gute Finanzierung ohne Eigenmittel vertraglich zu sichern. Die Frage des Eigenkapitals hat ihre grosse Bedeutung erst mit der Finanzkrise bekommen. Mit einer guten Qualifikation, einem guten Konzept und einem stichhaltigen Businessplan stellt die Finanzierung kein Problem dar.
Wie haben Sie die letzten Tage vor der Eröffnung erlebt?
Diese Tage waren sehr spannend und voller positiver Energie. Die Aufregung stieg exponentiell zur Zeit bis zur Eröffnung. Trotz langer Vorbereitung waren noch viele Aufgaben zu bewältigen. Es war ein tolles Gefühl, die eigenen Visitenkarten oder Flyer zu verteilen. Da ich eine elektronische Krankengeschichte eingerichtet hatte, musste viel Zeit in das System und die Schulung der Mitarbeiter investiert werden. Die Mitarbeiter konnte ich nach eigenen Kriterien einstellen, was ich sehr genossen habe. Ich konnte von der Vorbereitung meiner Praxis nicht genug bekommen.
Und wie war der erste Tag in der eigenen Praxis?
Endlich ging es los. Es war eine grosse Erleichterung, als mir der erste Patient gegen über sass. Dieser hatte angerufen, um sich nach den Öffnungszeiten zu erkundigen. Es war eine grosse Freude, ihm eine sofortige Konsultation anzubieten, da er gerade in der Nähe war. Er konnte es kaum glauben, sofort einen Termin bekommen zu haben. An diesem Tag war es der einzige Patient. Dennoch habe ich diesen Tag sehr genossen und werde ihn nie vergessen.
Wie beurteilen Sie die Situation jetzt nach über einem Jahr?
Sehr positiv. Die Praxis wurde von Zuweisern und Patienten angenommen. Die Konsultationen sind ständig gestiegen und aus einem halben OP-Tag pro Woche sind in zwischen 1,5 Tage geworden. Das geplante Leistungsangebot konnte nicht in allen Bereichen eingehalten werden. Hier wurde flexibel auf die Nachfrage reagiert. Wir sind ein erfolgreiches «Familienunternehmen» auf Erfolgskurs.
Was würden Sie heute anders machen?
Als erstes würde ich 10 Jahre früher in die eigene Praxis gehen. Dann würde ich früher mit dem Zuweisermarketing beginnen und mir mehr Gedanken zum Leistungsprofil der Praxis machen. Mit den Tarifwerken der Schweiz würde ich mich ebenfalls früher beschäftigen. Das «learning by doing» hat zwar gut funktioniert, aber es gab doch ein paar Überraschungen. Zum Beispiel darf man nur nach dem lukrativen Berner Belegärzte-Tarif abrechnen, wenn man Mitglied im Berner Belegärzteverein ist.
Was ist das Geheimnis Ihres Erfolges?
In der Praxis arbeite ich mit meiner Ehefrau zusammen. Für viele Patienten ist dies ein wichtiges Signal und so für uns ein Erfolgsfaktor. Wir gehen individuell auf die Bedürfnisse der Patienten ein und etablieren ein sehr enges und vertrauensvolles Arzt-Patientenverhältnis. Ausserdem werden nur Leistungen angeboten, die auf höchstem Niveau erbracht werden können. Für einzelne spezielle OP-Verfahren haben wir Partner gesucht, mit denen wir im Sinne unserer Patienten eng zusammenarbeiten. Diese Offenheit für Kooperation hat viele Konkurrenzgedanken im Keim erstickt und uns das Vertrauen vieler Patienten nachhaltig gesichert.
Was würden Sie Ihren Kollegen, welche den Schritt in die Selbstständigkeit noch vor sich haben, mit auf den Weg geben?
Erst einen professionellen Berater und dann eine Praxis suchen. Alle Entscheidungen sollten immer ohne Zeitnot gefällt werden. Ausserdem sind Mut zum Neuanfang und Offenheit für neue Wege unerlässlich für die Selbständigkeit. Die Selbstständigkeit ist zwar anstrengend, aber absolut befriedigend. Der spürbare Zusammenhang zwischen Leistung und Erfolg ist wohltuend für einen langjährig angestellten Arzt. Mit einem Motto von Erich Kästner kann ich nur jeden ermutigen, diesen Schritt zu wagen: «Es gibt nichts Gutes, ausser: Man tut es.»
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