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Dr. med. Olaf Gemkow

Dr. med. Olaf Gemkow, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, hat im Jahre 2006 eine Praxis in Schwyz übernommen. Wie hat er diesen grossen Schritt in die Selbständigkeit vorbereitet und wie hat er ihn erlebt? Was würde er heute anders machen? Das und noch vieles mehr für alle, die diesen Schritt noch vor sich haben und aus den Erfahrungen von Kollegen profitieren möchten.

Warum haben Sie sich für eine Praxisübernahme und nicht für eine Eröffnung entschieden?
In Zeiten des «Praxisstopps zur Kosteneindämmung im Gesundheitsbereich» ist es leichter eine Praxis in einer attraktiven Lage zu übernehmen als die Zulassung für eine neue Praxis zu erhalten. Außerdem kann man vom bestehenden Patientenstamm, der Infrastruktur innerhalb der Praxis und Kollegen in der Umgebung, erprobten Kundenbeziehungen zu Lieferanten von Medikamenten und medizinischem Verbrauchsmaterial von Anfang an profitieren. Im Laufe der Zeit können hier dann Optimierungen erfolgen.

Sie sind aus Berlin nach Schwyz gekommen. Warum haben Sie sich ausgerechnet in Schwyz niedergelassen?
Insgesamt hatte ich acht verschiedene Praxen in der Deutschschweiz zur Auswahl. Ich stamme aus Wernigerode, einer Kleinstadt im Harz, einem kleinen Mittelgebirge ungefähr 200 Kilometer westlich von Berlin. Dort wuchs ich bis zum Abitur (Matura) im Jahr 1984 mit allen Vorzügen der Natur (Berge, Wälder, selbst erreichbare Freizeitaktivitäten ohne «Taxidienst der Eltern“») sozusagen «geerdet» auf. Danach ging ich nach Berlin, studierte dort an der Humboldt-Universität im Medizinischen Bereich der Charité, absolvierte meine Ausbildung zum Facharzt für Orthopädie und arbeitete acht Jahre in einer großen orthopädisch-rheumatologischen Gemeinschaftspraxis bis zum März 2006. Insgesamt verbrachte ich also über 20 Jahre in Berlin und lernte die Vorteile einer Großstadt in aller Ausführlichkeit kennen. Da wir zwei Kinder im Alter von vier und zwei Jahren haben, kam aufgrund der Kinder nur wieder eine Kleinstadt in der Natur, wie es meine Geburtsstadt ist, in Frage. Schwyz erfüllt alle diese Kriterien und liegt sehr verkehrsgünstig. Ich kann nur jedem raten, bei der Auswahl einer Praxis nicht nur nach großen Städten Ausschau zu halten, sondern auch andere Kriterien, besonders im Rahmen einer Familienplanung, zu bedenken.

War für Sie eine Gemeinschaftspraxis nie ein Thema? Warum?
Wie ich bei meinem Werdegang schon kurz ausführte, arbeitete ich von 1998 bis 2006 acht Jahre in einer Gemeinschaftspraxis mit einem älteren Kollegen, der bereits über jahrzehntelanger Praxiserfahrung verfügte. Für einen «Praxisanfänger» hat diese Konstellation ungeheure Vorteile: er kann von dieser Praxisform profitieren, wenn der andere Partner so ein «erfahrener Fuchs» ist. Zwei Berufsanfänger in einer Praxis haben es da schon schwerer. Da für mich Werte wie Freiheit und Unabhängigkeit einen hohen Stellenwert haben, entschloss ich mich auf der Grundlage der bereits gemachten Erfahrungen für eine Einzelpraxis. Gleichwohl ist in einer Gemeinschaftspraxis das Verhältnis Umsatz-Kosten- Gewinn oft günstiger. Jedem «Kämpfer» in einer Einzelpraxis kann ich nur raten, regelmäßig den fachlichen Austausch auf Kongressen oder in persönlichen Treffen mit anderen Kollegen zu suchen.

Wie haben Sie das Projekt «Praxiseröffnung» vorbereitet?
Als erstes muss sich jeder im Klaren werden, ob und wenn ja, warum er überhaupt eine Praxis führen möchte, dann welches das konkrete Leistungsspektrum werden soll. Hiernach geht es an die Festlegung der Region. Ab diesem Zeitpunkt ist es sehr hilfreich, professionelle Hilfe bei der weiteren Suche in Anspruch zu nehmen. Insgesamt ist von einem Zeit-Korridor von der Idee bis zur Eröffnung von ca. 18 –24 Monaten auszugehen.

War es schwierig im Fall einer Praxiseröffnung einen Bankkredit zu bekommen?
Nein, wenn das Konzept klar ist und der Businessplan steht, kann man jede Bank von seiner Idee überzeugen. Dann braucht es nicht einmal nennenswertes Eigenkapital. Wie haben Sie die letzten Tage vor der Eröffnung erlebt? Aufgeregt. Trotz umfassender Vorbereitung geschehen immer noch unerwartete Dinge (Visitenkarten nicht pünktlich fertig, bürokratische Hürden bei der zeitgerechten Anerkennung von Fähigkeitsausweisen, schleppende Bearbeitung der Dossiers bei Ärzteorganisationen etc.). So ist halt das Leben. Hier nur nicht aus der Fassung bringen lassen!

Und wie war der erste Tag in der eigenen Praxis?
Freude über jeden einzelnen Patienten (es waren an diesem Tag sieben Patienten – eine Glückszahl!), geregelte Kaffee- und Mittagspause, Zeit für Gespräche mit dem Personal und dem Postboten.

Wie beurteilen Sie die Situation jetzt nach über zwei Jahren?
Immer noch große Freude über jeden Patienten. Die Praxis läuft inzwischen aber so gut, dass es keine geregelte Kaffeepause mehr gibt und am Freitagmittag grundsätzlich die Notfälle kommen. Daher ist der Pausenbeginn eher als «Gleitarbeitszeit» zu verstehen. Es braucht aber sechs bis zwölf Monate, um sich umfassend einzuarbeiten. Nicht am Anfang zu viel auf einmal erwarten. Lieber «one step after the other», dann kommt der «Ozeandampfer Praxis» auf volle Touren in die richtige Richtung.

Was würden Sie heute anders machen?
Alle Anträge bei Behörden (FMH, santésusisse, Fachgesellschaften etc.) sechs Monate eher stellen, als der gesunde Menschenverstand es eigentlich tun würde. Die Bearbeitungszeiten sind stellenweise unvorstellbar. Nach spätestens zwei Wochen anrufen und nachfragen, ob alle Unterlagen vollständig eingegangen sind, dann alle zwei Wochen wieder anrufen, nach drei Monaten wöchentlich. Zwischen der letzten Tätigkeit und dem Praxisstart drei Monate Urlaub einlegen und so mit vollem Akku an den Praxismarathon gehen.

Was ist das Geheimnis Ihres Erfolges?
Ein hervorragender Coach!!!! Das Buch „Die Gesetze der Gewinner“ von Bodo Schäfer. Was würden Sie Ihren Kollegen, welche den Schritt in die Selbständigkeit noch vor sich haben, mit auf den Weg geben? Jeder Mensch muss sich entscheiden: will er (auch als Chefarzt im Spital) ein großer Knecht (des Verwaltungsrates) bleiben oder ein kleiner oder großer Herr in eigener Praxis werden. Oder wie Goethe es formulierte: Du musst herrschen und gewinnen oder dienen und verlieren, leiden oder triumphieren, Amboss oder Hammer sein!

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